Dunkel Hell

Kernaussagen

  • Sichtbare Veränderungen auf Röntgenbildern kommen bei Menschen ohne Rückenschmerzen häufig vor.
  • In den meisten Fällen kann eine Röntgen- oder MRT-Untersuchung die Ursache von Rückenschmerzen nicht klären.
  • Die überwiegende Mehrheit der Bandscheibenvorfälle heilt spontan und ohne Operation.

Nach aktuellen Empfehlungen ist in 90 % der Fälle keine radiologische Untersuchung erforderlich (1). In 5 bis 10 % der Fälle können radiologische Untersuchungen jedoch sinnvoll sein (2, 3, 4): insbesondere, wenn eine medizinische Fachperson eine bestimmte Pathologie oder Nervenschädigung vermutet. Die Fragen, die sie während ihrer Konsultation stellt, sowie ihre klinische Untersuchung werden entscheiden, ob eine Bildgebung notwendig ist.

Rückenschmerzen bedeuten für viele Menschen, dass sie eine Läsion oder Verletzung haben. Wenn die Rückenschmerzen durch Arthrose oder Probleme mit den Bandscheiben verursacht wurden, sollten diese Schäden, welche Schmerzen und das Gefühl mit der Entstehung der auf den Bildern dargestellten Läsionen, in Zusammenhang stehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Studien zeigen beispielsweise, dass 80 % der Menschen im Alter von 50 Jahren, welche bildgeberisch eine Bandscheibendegeneration aufweisen, also Anzeichen, die auf eine Verschlechterung der Qualität der Bandscheiben hinweisen, KEINE Rückenschmerzen haben (4). Manche Menschen haben sogar einen Bandscheibenvorfall und spüren ihn nicht.

Andere Studien zeigen, dass die Schwere, der im MRT beobachteten Schäden (auf der Ebene der Bandscheiben oder der Gelenke) nicht mit der Intensität der Symptome oder dem Grad der Behinderung zusammenhängt (5). Darüber hinaus steht die Entwicklung auf dem Bild (MRT oder Röntgen) nicht immer im Zusammenhang mit der Entwicklung der Symptome (6, 7). Das bedeutet, dass wir auf den Bildern grossen Schaden und nur wenige Symptome haben können oder umgekehrt. Mittlerweile ist den Experten völlig klar, dass der Grossteil der in der Bildgebung festgestellten Schäden mit der Evolution des Körpers zusammenhängt, genauso wie es normal ist, Falten oder weisses Haar zu haben. Die Bildgebung lässt die Schmerzursache daher nicht eindeutig erkennen.

Adaptiert von Brinjikji et al., 2015

Aktuelle Empfehlungen besagen, dass es nicht notwendig ist, während einer Rückenschmerzepisode eine radiologische Untersuchung anzuordnen.

Es ist sehr wichtig zu bedenken, dass eine Röntgen- oder MRT-Untersuchung in den meisten Fällen weder die Diagnose noch die Behandlung von Rückenschmerzen verbessert. Studien haben sogar gezeigt, dass eine frühe (und unnötige) MRT tendenziell eine aggressivere Behandlung (z. B. mit mehr Infiltrationen oder Operationen) und schlechtere Ergebnisse im Vergleich zu Personen ohne MRI begünstigt (8, 9).

Schliesslich ist es für den Fall, dass bei Ihnen eine MRT-Untersuchung durchgeführt wurde und die Ergebnisse Sie beunruhigen, wichtig, dass Sie mit den medizinischen Fachkräften in Ihrer Umgebung darüber sprechen können. Tatsächlich ist das, was auf den Bildern zu sehen ist, in den meisten Situationen weder ein Zeichen von Ernsthaftigkeit noch einer schlechten Entwicklung in der Zukunft. Beispielsweise heilen und lösen sich Bandscheibenvorfälle in den allermeisten Situationen nach einigen Monaten spontan auf!

Daher kommt es häufig zu Missverständnissen zwischen Patienten und Arzt bezüglich medizinischer Bilder. Die Tatsache, dass der Arzt keine Röntgen- oder MRT-Untersuchung durchführt, bedeutet nicht, dass er Ihre Schmerzen nicht ernst nimmt: Er ist der Ansicht, dass diese Untersuchung die Versorgung nicht verbessern wird. Wenn er diese Untersuchung durchführt und es „nichts“ gibt, können Sie die Ursachen Ihrer Schmerzen nicht erklären, da kein Bild den Schmerz „sehen“ oder seine Intensität abschätzen kann. Damit kann jedoch der Verdacht einer ernsthaften Erkrankung ausgeschlossen werden.

Bibliographie

  1. National Guideline Centre. (2016). Low back pain and sciatica in over 16s : assessment and management, Assesment and non-invasive treatments. National Institute for Health and Care Excellence : Clinical Guidelines, 59. ISBN 978-1-4731-2188-1
  2. Hartvigsen, J., Hancock, M., Kongsted, A., Louw, Q., Ferreira, M.L., Genevay, S., Hoy, D., Karppinen, J., Pransky, G., Sieper, J., Smeets, R.J., Underwood, M., & Lancet Low Back Pain Series Working Group. (2018). What low back pain is and why we need to pay attention. The Lancet. doi: 10.1016/S0140-6736(18)30480-X
  3. O’Sullivan, P., & Lin, I.B. (2014). Acute low back pain : Beyond drug therapies. Pain Management Today, 1(1), 8-13. Repéré à https://www.researchgate.net/
  4. Brinjikji, W., Luetmer, P.H., Comstock, B., Bresnahan, B.W., Chen, L.E., Deyo, R.A., Halabi, S., Turner, J.A., Avins, A.L., James, K., Wald, J.T., Kallmes, D.F., & Jarvik, J.G. (2015). Systematic literature review of imaging features of spinal degeneration in asymptomatic populations. American Journal of Neuroradiology, 36(4), 811-816. doi:10.3174/ajnr.A4173
  5. Berg, L., Hellum, C., Gjertsen, Ø., Neckelmann, G., Johnsen, L.G., Storheim, K., Brox, J.I., Eide, G.E., Espeland, A., & Norwegian Spine Study Group. (2013). Do more MRI findings imply worse disability or more intense low back pain ? A cross-sectional study of candidates for lumbar disc prosthesis. Skeletal Radiology, 42(11), 1593-1602. doi : 10.1007/s00256-013-1700-x
  6. McNee, P., Shambrook, J., Harris, E.C., Kim, M., Sampson, M., Palmer, K.T., & Coggon, D. (2011). Predictors of long-term pain and disability in patient with low back pain investigated by magnetic resonance imaging : a longitudinal study. BMC Musculoskeletal Disorders, 12, 234. doi : 10.1186/1471-2474-12-234
  7. Suri, P., Boyko, E.J., Goldberg, J., Forsberg, C.W., & Jarvik, J.G. (2014). Longitudinal associations between incident lumbar spine MRI findings and chronic low back pain or radicular symptoms : retrospective analysis of data from the longitudinal assessment of imaging and disability of the back (LAIDBACK). BMC Musculoskeletal Disorders, 15, 152. doi : 10.1186/1471-2474-15-152
  8. Chou, R., Fu, R., Carrino, J.A., & Deyo, R.A. (2009). Imaging strategies for low-back pain : systematic review and meta-analysis. The Lancet, 373(9662), 463-472. doi : 10.1016/S0140-6736(09)60172-0
  9. Webster, B.S., Bauer, A.Z., Choi, Y., Cifuentes, M., & Pransky, G.S. (2013). Iatrogenic Consequences of Early Magnetic Resonance Imaging in Acute, Work-Related, Disabling Low Back Pain. Spine, 38(22), 1939-1946. doi:10.1097/BRS.0b013e3182a42eb6